Zum Hauptinhalt springen Zur Suche springen Zur Hauptnavigation springen
Mahlsteine der Getreidemühle

Mahlsteine der Getreidemühle

29.09.2022

Naturstein oder Kunststein?

Oft wird bei Mahlsteinen für Getreidemühlen in "Naturstein" und "Kunststein" unterschieden. Als "Naturstein" werden dabei aus massivem Stein gehauhene Mahlsteine bezeichnet. Mit der fast schon negativ klingenden Bezeichnung "Kunststein" oder gar "synthetischer Stein" (*) sind hingegen aus verschiedenen Materialien "gemischten" Mahlsteine gemeint, die gegossen oder gebrannt werden. Auch diese "gemischten" Mahlsteine werden aus natürlichen Mineralien hergestellt. Ähnlich wie ein Ziegelstein, den es auch so in der Natur nicht gibt, den aber trotzdem niemand als Kunststein oder synthetischen Stein bezeichnen würde. Üblich sind heute Mahlsteine aus Korund-Keramik und aus Naxos-Basalt in Magnesit-Bindung.

Mahlstein aus Granit

Früher wurden Mahlsteine aus Granit hergestellt. Das war eine sehr zeitintensive und anspruchsvolle Aufgabe für die Steinmetze. "Hart wie Granit" hat sprichwörtliche Bedeutung. Schaut man sich aber mal die unterschiedlichen Härten von Mineralien an, stellt man fest, dass Granit gar nicht so hart wie sein Ruf ist:

Härte wird in der Maßeinheit "Mohs" definiert

Bekannt ist, dass der Diamant das härteste natürlich vorkommendes Mineral auf unserer Erde ist, der Diamant hat deswegen die Härte 10 auf der Mohs-Skala.Granit hingegen hat nur die Härte 6, ist also deutlich weicher. Damit ein Mahlstein schönes, feines Mehl mahlt, muss er "scharf" sein, d.h. er braucht eine raue Oberfläche. Bei Mahlsteinen aus Granit wird diese benötigte Oberfläche durch mechanische Bearbeitung erreicht (früher Beschlagen mit Hammer und Meißel, heutzutage meist mit einer elektrischen Flex). Da der Granit aber nun mal gar nicht so hart ist, wie sein Ruf, nutzt sich die raue Oberfläche im Betrieb in einer Getreidemühle vergleichsweise schnell ab.Der ehemals "scharfe" Mahlstein aus Granit wird im Laufe der Zeit glatt wie ein Flusskiesel. Damit lässt sich dann kein feines Mehl mehr mahlen und ab einem gewissen Punkt mahlt die Getreidemühle dann gar nicht mehr, sondern das Getreide verschmiert zwischen den Steinen und die Mühle setzt sich zu und blockiert.Spätestens dann müssen die Mahlsteine ausgebaut werden und (vom Hersteller) neu bearbeitet werden, damit die Oberfläche wieder rau wird. Wann dieser Zeitpunkt erreicht wird, ist natürlich von der Intensität der Nutzung und der Härte des gemahlenen Getreides abhängig - Weizen ist  z.B. deutlich härter als Dinkel und Roggen, Mais und Reis sind noch härtere Getreidesorten. Bei Mühlen von ambitionierten Brotbäckern kann die Abnutzung schon nach 5 -7 Jahren der Fall sein, bei wenig genutzen Mühlen bleiben die Steine auch 20 -30 Jahre lang scharf genug. Gewerblich genutzte Mühlen mit sehr großem Naturstein-Mahlwerk werden sogar jährlich neu behauen um die Granit-Steine wieder zu schärfen und eine durchgehend gute Mehlqualität zu gewährleisten. Dieses regelmäßige Nachschärfen der Mahlsteine gehörte früher übrigens auch zu den Aufgaben des Müllers, ein Müller verrichtete also auch diese Steinmetzarbeiten.

Mahlstein aus Naxos-Basalt in Magnesit-Salz-Bindung

Weil Mahlsteine aus Granit recht teuer weil aufwändig in der Herstellung sind und zudem ohne regelmäßige Nachbearbeitung nicht dauerhaft gleichmäßig feines Mehl mahlen, suchte man nach Alternativen.In den 70iger Jahren begann Dr. Schnitzer die ersten Haushaltsgetreidemühlen zu bauen. Hier kamen gegossene Mahlsteine aus Naxos-Basalt in Magnesit-Salz-Bindung zum Einsatz. Legendär und oft heute (!!) noch in Betrieb sind die Schnitzer-Mühlen "FE", "FE 100" und "PE" aus dieser Zeit. Auch die Revo- bzw. die baugleichen Bösen-Mühlen aus den 70er- und frühen 80er-Jahren hatten Mahlsteine aus Naxos-Basalt und laufen teilweise bis heute mit ihren ersten Mahlsteinen. Solche Steine aus Naxos-Basalt in Magnesit-Salz-Bindung sind kostengünstig herzustellen, sie werden einfach in Formen gegossen, im Prinzip wie Beton. Statt Sand, Kiesel und Zement beim Beton werden bei diesen Steinen verschiedene Quarze oder Basalte - z.B. Naxos-Basalt - in Magnesit gebunden. Basalt und Magnesit haben unterschiedliche Härten: Basalt - je nach Sorte - die Härte 7 - 8 Mohs, und ist damit härter als Granit, Magnesit hat die Härte 4 - 4,5 Mohs. Auch ein solcher Stein nutzt sich beim Getreide mahlen etwas ab, da die verwendeten Mineralien aber unterschiedlich hart sind, wird der Mahlstein durch die Abnutzung nie glatt, sondern bleibt immer rau in der Oberfläche, weil sich das weichere Material - in diesem Fall das Magnesit - immer etwas schneller abnutzt als das härtere Mineral, der Basalt. Dadurch erfüllen solche Mahlsteine auch nach Abnutzung immer noch ihre Aufgabe: Sie bleiben scharf und zerreiben das Getreide. Lediglich die Feineinstellung der Getreidemühlen muss gelegentlich etwas nachjustiert werden, weil die Steine dünner werden.

Mahlstein aus Korund und Keramik

Korund-Keramik-Mahlsteine sind eine Weiterentwicklung der Naxos-Basalt-Steine: Sie kamen Mitte der 80iger Jahre auf, wurden zuerst bei der Fa. Agrisan eingesetzt, dann auch in Osttiroler Getreidemühlen und hawos-Mühlen eingebaut. Heute sind diese Korund-Keramik-Mahlsteine aktueller Standard bei Haushaltsgetreidemühlen der meisten Hersteller (Schnitzer, hawos, Mockmill, Waldner-biotech ...). Auch hier werden zwei unterschiedlich harte Materialien gemischt, so dass die Oberfläche der Mahlsteine auch bei Abnutzung immer rau bleibt. Dieser Effekt wird oft auch als "selbstschärfend" bezeichnet. Korund und Keramik sind noch mal deutlich härter als Basalt: Korund hat die Härte 9 -9,5 Mohs, ist also nach dem Diamanten das zweithärteste natürliche Mineral. (Korund ist übrigens "mineralogisch" betrachtet identisch mit Saphiren und Rubinen, nur nicht so schön bunt, sondern grau bis schwarz). Keramik hat je nach Zusammensetzung und Brennverfahren die Härte 8 - 9 Mohs, ist also minimal weicher als Korund, aber immer noch deutlich härter als Granit.Korundkristalle mit 1,5 - 2 mm Durchmesser werden in einem bestimmten Verhältnis mit Keramikmasse gemischt, dann unter hohem Druck in Formen gepresst und zuletzt bei ca. 1300 C°  gebrannt. Korund-Keramik-Mahlsteine werden oft als "Kunststeine" bezeichnet, bestehen aber aus natürlichen Mineralien ohne künstliche Zusätze. Sie werden - vergleichbar mit Ziegelsteinen - unter Druck gebrannt und gehen dadurch eine dauerhafte, feste Verbindung ein. Korund ist eine Modifikation von  Aluminiumoxid (auch "Tonerde" genannt, chemische Bezeichnung: α-Al2O3) und fast weltweit in Gebirgen zu finden. Keramik ist auch einfache Tonerde, die sehr fein gemahlen wird, dann mit Wasser gemischt in eine formbaren Masse gebracht wird und anschließend durch Trocknen bei hohen Temperaturen - dem "Brennen" - zu einem extrem harten und haltbaren Material wird, der Keramik.Eine minimale Abnutzung haben auch Korund-Keramik-Steine, auch hier muss - je nach Nutzungsintensität der Getreidemühle - alle 5 - 10 Jahre die Feineinstellung nachjustiert werden, weil die Steine etwas dünner werden. Auf der ursprünglichen Feineinstellung im Neuzustand mahlen sie sonst nicht mehr richtig fein. Bei Getreidemühlen mit Feineinstellung per Hebel (wie z.B. die hawos- und einige Schnitzer-Mühlen) wird dafür der Einstellhebel etwas versetzt. Bei Getreidemühlen per Feineinstellung durch Trichterdrehen (z.B. Mockmill- und Waldner-Mühlen) muss gar nichts nachjustiert werden, der Trichter lässt sich einfach je nach "Abnutzung" der Steine im Laufe der Jahre minimal weiter nach links drehen, um wieder Feinmehl zu mahlen.Nahezu jedem sind Korund und Keramik auch aus dem Alltag bekannt: gewöhnliches Schmirgelpapier hat in der Regel eine Oberfläche aus Korund-Kristallen, Keramik kennt sowieso jeder: die Kaffeetasse, die Zahnfüllung, die Kloschüssel ...

Einsatz der verschiedenen Mahlsteine heute:

Mahlsteine aus Granit werden fast gar nicht mehr verwendet. Nur sehr wenige Hersteller bauen in einige Modelle ihrer Mühlen noch Granitsteine ein. getreidemuehlen.de hat keine Getreidemühlen mit Granitsteinen im Sortiment. Mahlsteine aus Naxos-Basalt werden heutzutage fast nur noch in Handgetreidemühlen verwendet, hier aber nahezu ausschließlich. Da mit Handgetreidemühlen nur vergleichsweise kleine Mengen Getreide verarbeitet werden und durch das Kurbeln per Hand nur um 80 U/min "Geschwindigkeit" auf die Mahlsteine kommt, haben Naxos-Basalt-Steine in Handgetreidemühlen im Gegensatz zur Verwendung in elektrischen Getreidemühlen eine absolut ausreichende Haltbarkeit. Zudem sind sie günstiger und auch ökologischer in der Herstellung, weil kaum Energie zur Produktion benötigt wird.Die einzigen mir bekannten elektrischen Getreidemühlen, die aktuell noch mit Naxos-Basalt-Steinen gebaut werden, sind die "Widu"-Mühlen von Fa. Wiederhold und die "Elsässer"-Mühlen der französischen Fa. SAMAP.Auch die "Erfinder" der Naxos-Basalt-Steine - die Fa. Schnitzer - setzt dieses Material seit vielen Jahren nur noch in ihren Handmühlen ein, alle heutigen elektrischen Schnitzer Getreidemühlen haben Mahlsteine aus Korund und Keramik. Mahlsteine aus Korund-Keramik kommen in fast allen elektrischen Haushalts-Getreidemühlen zum Einsatz. Z.B. in den Getreidemühlen von Mockmill, Hawos, Schnitzer und Waldner. Erfahrungsgemäß haben sie bei intensiver Nutzung der Mühle in einem 4-Personen-Haushalt eine Lebensdauer von 15 - 25 Jahren, ehe sie mal ausgetauscht werden müssen. Kleinere Haushalte und "Gelegenheitsmüller" werden wahrscheinlich nie neue Korund-Keramik-Steine für ihre Getreidemühle benötigen. Ein Paar Ersatzsteine kostet z.Zt. je nach Modell und Hersteller zwischen 50 und 80 €.Bei Handgetreidemühlen werden Korund-Keramik-Steine bisher in der Hawos Rotare und in der hawos Molere verwendet.

Dissertation zum Thema Mahlsteine:

Es gibt nicht viele wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema. An der Uni Hohenheim wurde 1995 aber dann doch eine Dissertation über Mahlsteine in Getreidemühlen geschrieben. U.a. wurden hier verschiedene Materialen und ihre Mehlfeinheit und - auch sehr interessant - der spezifische Energieverbrauch der unterschiedelichen Mahlsteine (Korund, Granit, Basalt ...) untersucht. Eindeutiges Resultat aus dieser Doktorarbeit ist auch, dass Granit im Vergleich zu Korund/Quarz deutlich weniger Oberflächenrauigkeit aufweist und die Temperaturerhöhung ∆T beim Mahlen mit Granitsteinen messbar höher ist als mit Korund/Quarz. (Ist nicht gerade eine "lockere Lektüre", aber wen es interessiert: Aus einer Dissertation zu Mahlsteinen für Getreidemühlen (8 Seiten PDF-Datei, zusammengestellt von Wolfgang Mock) Weiterführende Links bei Wikipedia: die Härte der Mineralien nach Mohs Korund - Keramik - Basalt - Magnesit - Aluminiumoxid * Synthese - die Vereinigung von zwei oder mehr Elementen (Bestandteilen) zu einer neuen Einheit

Kommentare (10)

scholarships for women

November 24, 2010 16:58

Thank you, I have recently been searching for information about this topic for ages and yours is the best I have discovered so far.

gruenerfinger

November 28, 2010 03:15

endlich mal eine verständliche Erklärung der verschiedenen Mahlsteine in Getreidemühlen.habe ich lange nach gesucht, danke!Melissa

Karsten W.

December 2, 2010 09:34

Hallo,Eine sehr gute und verständliche Beschreibung.Wenn jetzt noch ein Link zu finden wäre, wo ich Ersatzsteine bestellen kann bzw. wie ich sie uzr Überarbeitung einschicken kann wäre es perfekt.

getreidemuehlen.de

December 2, 2010 11:27

Hallo Karsten,einfach per email oder tel. melden ... es gibt viele verschiedene Mahlsteine verschiedener Hersteller.Zudem ist der passende Ersatzstein oft noch abhängig vom Baujahr der Mühle (einige Mühlen werden seit über 20 Jahren im Prinzip fast gleich gebaut, trotzdem braucht man je nach Alter der Mühle u.U. unterschiedliche Mahlsteine)

Mike

December 14, 2010 12:48

Interessante Seite. Wie groß, und vor allem schwer muß denn ein Handmühlstein optimalerweise sein, um das Korn auch zu mahlen? Ich denke wenn der Stein zu leicht ist entsteht eine Art "Kugellagereffekt" und der Stein rollt nur über die Körner.Grüße, Mike

Lee

May 10, 2011 23:11

Guten Tag!Ein kleiner Hinweis: Die Mineralienhärteneinteilung heißt nach Friedrich Mohs Mohshärteskale, nicht Moh-Skala.Mit freundlichen Grüßen

getreidemuehlen.de

May 10, 2011 23:20

Hallo,vielen Dank für den Hinweis, habe den Text korrigiert

Beate Grundmann

June 30, 2011 19:38

Hallo !Vielen Dank für diese ausführlichen und verständlichen Informationen. Die Seite war sehr hilfreich für mich.Mit freundlichen Grüßen

christian

August 8, 2011 17:20

Hallo, so lange kann man sich die Infos im Netz mühsam zusammensuchen und dann geht hier einfach die Sonne auf. Eine wirklich gelungene Zusammenfassung für Anfänger, die alle wichtigen Punkte abdeckt ohne auszuschweifen. Danke.

getreidemuehlen.de

April 7, 2012 01:46

[...] hawos Molere  ihre zweite Handmühle vor: Natürlich wieder mit den extrem haltbaren und scharfen Mahlsteinen aus Korund und Keramik, wie sie auch in fast allen elektrischen Getreidemühlen verwendet werden. [...]

Schreiben Sie ein Kommentar

Die mit einem Stern (*) markierten Felder sind Pflichtfelder.